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LPK-Mitglied Michael Ruch: Psychotherapie mit Straftätern

Wie motiviert man Menschen, die aus eigenem Antrieb nicht den Weg in die Psychotherapie finden würden, sich mit dem eigenen Fehlverhalten auseinanderzusetzen? Diese Frage ist zentral im Arbeitsalltag von LPK-Mitglied Michael Ruch, dessen Patienten nicht freiwillig, sondern aufgrund einer richterlichen Therapie- oder Vorstellungsweisung zu ihm kommen. Der Psychologische Psychotherapeut, Kriminologe und Sexualtherapeut ist stellvertretender Leiter der Psychotherapeutischen Ambulanz der Justiz in Ludwigshafen.  Zudem ist er von der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz anerkannter Rechtspsychologischer Sachverständiger für Strafrecht und Vorstandsbeauftragter für Forensik.

Für Michael Ruch lag es zuerst eigentlich nicht auf der Hand, sich auf Gewalt- und Sexualstraftäter zu spezialisieren, denn das Thema wurde während seines Studiums kaum behandelt. Da er sich dennoch sehr dafür interessierte, las sich Herrn Ruch auf eigene Faust ein und absolvierte nach der Approbation eine sexualtherapeutische Weiterbildung. Anschließend bewarb er sich auf eine Ausschreibung der Sozialtherapeutischen Anstalt Ludwigshafen und wechselte nach eineinhalb Jahren in die Psychotherapeutische Ambulanz der Einrichtung.
In der Ambulanz werden rund 50 Patienten behandelt, die aufgrund von Sexual- oder Gewaltstraftaten verurteilt wurden. Die deliktorientierte Psychotherapie wird hier in der Regel als Einzeltherapie durchgeführt, Gruppentherapie wird soweit organisatorisch möglich ebenfalls angeobten. Die Patienten kommen rund zwei Jahre oder länger zur ambulanten Therapie. Dort sollen sie den Ursachen für ihre Tat auf den Grund gehen und Strategien für ein gewaltfreies Verhalten in der Zukunft entwickeln. Das Geschehene soll aufgearbeitet werden, soziale Kompetenz, Empathie und Impulskontrolle sollen erlernt werden. Dabei wird eine Mischung verschiedener psychotherapeutischer Verfahren angewendet, die Basis bilden verhaltenstherapeutisch-kognitive Verfahren.

Zunächst gilt es jedoch, Vertrauen aufzubauen, denn die Psychotherapie kann nur im geschützten Rahmen erfolgreich sein.  Manche Patienten sind zunächst misstrauisch, daher sei es für sie wichtig, in der Therapie „keine zweite Verurteilung“ zu erleben, erklärt Herr Ruch. Zudem sei größtmögliche Transparenz essentiell, um Vertrauen aufzubauen. Den Patienten wird also erläutert, welche Grenzen für die psychotherapeutische Schweigepflicht im Einzelfall bestehen. Kritische Entwicklungen müssen ggf. gemeldet werden, wofür die Betroffenen in der Regel Verständnis hätten. Für viele Patienten sei es eine Erleichterung, in der Therapie offen über ihre Tat und ihre Neigungen sprechen zu können, berichtet Herr Ruch. Denn durch die Stigmatisierung seien die Täter oft einsam und hätten weder im Familien- noch Bekanntenkreis geeignete Gesprächspartner.
Durch die Gespräche mit dem Therapeuten soll herausgearbeitet werden, ob es Situationen oder Faktoren gibt, die die Gefahr einer Rückfälligkeit des Täters erhöhen und die in Zukunft verändert oder eliminiert werden können. Denn die Vermeidung weiterer Straftaten ist eines der Kernziele in der Psychotherapeutischen Ambulanz.
Metaanalysen aus dem amerikanischen Sprachraum zeigen, dass die Rückfallgefahr für Sexualstraftaten in erneute einschlägige Delikte  bei 13,7% liegt. Durch Psychotherapie ist eine weitere Reduktion der Rückfallquote um rund 25% möglich.
Der Opferschutz und die Verhinderung weiterer Delikte ist auch für Michael Ruch eine zentrale Motivation für seine manchmal schwierige berufliche Tätigkeit. Besonders das Studium der Ermittlungsakten und der Tatortfotos kann belastend sein, berichtet er. Wenn möglich, vermeidet er,  diese Akten kurz bevor der betreffende Patient zu ihm kommt, zu lesen. Bei der Verarbeitung belastender beruflicher Inhalte helfen ihm neben der Supervision und einer gewissen erworbenen Routine vor allem ein netter Kollegenkreis, mit dem intensive Fallbesprechungen und Therapieplanungen möglich sind. Wichtig sei außerdem die Unterstützung durch Privatleben und Freundeskreis.  Insgesamt schildert Michael Ruch seinen beruflichen Alltag als interessant und vielfältig. Besonders die Diagnostik sei oft spannend und herausfordernd.
Er wünscht sich, dass sein Arbeitsfeld mehr Beachtung findet: Zum einen müsste das Thema verstärkt Eingang in Forschung und Lehre finden. Das Interesse unter den Studierenden sei groß, das Angebot an den Unis jedoch klein, berichtet Herr Ruch, der selbst auch als Lehrbeauftragter an den Universitäten Heidelberg und Mainz tätig ist. Zum anderen betont Michael Ruch, es bräuchte mehr psychotherapeutische Angebote für Menschen, die befürchten, straffällig zu werden. Hier könnte Psychotherapie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass es gar nicht erst zu Straftaten kommt – und eine Verurteilung mit richterlicher Therapieweisung nicht nötig wird.

Die LPK RLP dankt Herrn Michael Ruch herzlich für das interessante Gespräch, auf dessen Grundlage dieser Text entstand.

Michael Ruch

02.07.2019
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