KV RLP zeigt Wanderausstellung „Systemerkrankung"
Vom 4. August bis 3. September 2025 zeigt die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) die Wanderausstellung „Systemerkrankung. Arzt und Patient im Nationalsozialismus“. Anhand von konkreten Fallbeispielen wird dargestellt, welche Auswirkungen die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 auf Patient*innen, Ärzt*innen und die Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands (KVD) hatte. Thematisiert werden auch die Zwangssterilisationen und der Massenmord an Menschen mit psychischen Erkrankungen und Menschen mit Behinderungen im Rahmen der „Aktion T4“ zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens“. Mehr als 300.000 Menschen mit psychischen Erkrankungen und mit Behinderungen, darunter mindestens 5.000 Kinder und Jugendliche, wurden aufgrund ihrer Erkrankungen vom NS-Regime verfolgt und ermordet. Rund 400.000 Menschen wurden zwangssterilisiert.
Breites Themenspektrum der Ausstellung
Auf 19 Roll-up-Bannern widmet sich die Wanderausstellung einer große Bandbreite von Themen, beispielsweise der (Selbst-)„Gleichschaltung“ der ärztlichen Standesorganisationen, der Verdrängung politisch „missliebiger“ sowie jüdischer Ärzt*innen, Zwangssterilisationen und Krankenmorde, Ärzt*innen und Patient*innen in Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagern sowie Humanexperimenten. Zusätzlich wird an zwei Medienstationen (audio-)visuelles Material präsentiert, unter anderem Ausschnitte aus Video- und Toninterviews mit Betroffenen und ihren Nachkommen sowie zeitgenössische Fotografien und Postkarten.
Psycholog*innen und psychisch kranke Menschen in der NS-Zeit
Wie ihre ärztlichen Kolleg*innen wurden auch zahlreiche jüdische Psycholog*innen aus ihrem Beruf gedrängt. An den Psychologischen Instituten der Universitäten wurden jüdische Wissenschaftler*innen entlassen, in den Mitgliederlisten der Deutschen Gesellschaft für Psychologie tauchen schon ab Frühjahr 1933 kaum mehr jüdische Mitglieder auf und die Profession stellte sich zunehmend in den Dienst des totalitären Regimes: Die Wehrmachtspsychologie expandierte stark, auch „Erbcharakterlogie“ und „Rassenkunde“ wurden wichtige Themen.
Wie es Menschen mit psychischen Erkrankungen in der NS-Zeit ergehen konnte, zeigt eines der auf den Ausstellungsbannern präsentierten Fallbeispiele: Die Diagnose „paranoide Schizophrenie“ führte für den 1884 geborenen Josef Fuhr aus Königswinter zunächst zur Zwangssterilisation auf Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ und schließlich zur Ermordung in der Tötungsanstalt Hadamar bei Limburg, die heute als Gedenkstätte besichtigt werden kann.
Die Bundespsychotherapeutenkammer hat sich in einer Pressemeldung von Januar 2025 dafür eingesetzt, die Opfer dieser Gräueltaten endlich als Verfolgte des NS-Regimes anzuerkennen. In einem Fraktionsübergreifenden Antrag vom 25. Juni 2024 hatten SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/DIE Grünen und FDP gefordert, die Aufarbeitung der so genannten „Euthanasie“ und Zwangssterilisationen zu intensivieren, indem bundesweit Patientenakten und Personalunterlagen der Täter lokalisiert, gesichtet und konserviert werden, um sie der Forschung zugänglich zu machen. Die Bundespsychotherapeutenkammer hat den Antrag, der am 29. Januar 2025 vom Bundestag einstimmig angenommen wurde, ausdrücklich unterstützt.
Dass unabhängig von diesem Beschluss nun die KVD-Akten ausgewertet wurden und die Ausstellung „Systemerkrankung“ in Mainz zu sehen ist, ist ein wichtiger Beitrag zu einem verantwortungsbewussten Erinnern an die Verbrechen, die im Namen der „Rassenhygiene“ von Mitgliedern des Gesundheitssystems begangen wurden. Die Ausstellung bildet den Abschluss eines mehrjährigen Forschungsprojekts des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin, das die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Auftrag gegeben und finanziert hat, um die Geschichte ihrer Vorläuferorganisation aufzuarbeiten und sich somit einem dunklen Kapitel der eigenen Vergangenheit zu stellen. [Weitere Informationen dazu finden Sie Homepage der KBV hier.]
Geschichte als Auftrag für die Gegenwart
Angesichts der aktuellen Gefahr eines gesellschaftlichen und politischen Rechtsrucks sowie der zunehmenden Bedrohung marginalisierter Gruppen ist eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wichtiger denn je. „Wir müssen die Erinnerung wachhalten und mit aller Kraft verhindern, dass im Namen von Weltanschauungen menschenverachtende oder gar menschenvernichtende Politik betrieben wird“, fordert Peter Andreas Staub, Mitglied des Vorstandes der KV RLP und der Landespsychotherapeutenkammer.
Sabine Maur, Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, ergänzt: „Die Ausstellung führt uns deutlich vor Augen, was passieren kann, wenn man der Diskriminierung und Ausgrenzung von marginalisierten Gruppen nicht früh genug entschieden entgegentritt. Psychische Erkrankungen dürfen nie wieder zum Stigma werden. Auch in aktuellen Diskussionen werden beispielsweise psychisch kranke Menschen völlig unreflektiert mit gefährlichen Gewalttätern gleichgestellt und „Zentralregister“ zur Erfassung von Patient*innen gefordert. Hier ist unsere Profession gefragt, sachlich aufzuklären und sich für die bessere Versorgung psychisch kranker Menschen stark zu machen.“
Sabine Maur und Peter Andreas Staub laden Sie herzlich zu einem gemeinsamen Besuch der Ausstellung „Systemerkrankung“ am Montag, 25.8.2025 um 9:30 Uhr ein.
Um Anmeldung wird gebeten. Zum Anmeldeformular gelangen Sie hier.
Generell können alle Interessierten die Ausstellung von Montag, dem 4. August bis Mittwoch, dem 3. September 2025, zu folgenden Zeiten in der Hauptverwaltung der KV RLP, Isaac-Fulda-Allee 14, 55214 Mainz, besuchen:
Mo-Do: 9:00-17:00 Uhr
Fr.: 9:00-12:00 Uhr
Der Eintritt ist frei.
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Ausstellung www.systemerkrankung.de.