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LPK RLP-Mitglied Mareike Schulze ist Gründerin von Psychotherapists 4 Future

 

„[…]. Eine weiterhin so schnelle Erderwärmung gefährdet unsere natürlichen Lebensgrundlagen sowie unsere körperliche und psychische Unversehrtheit. Sie ist eine existenzielle Bedrohung. Diverse internationale psychologische und medizinische Fakultäten forschen bereits seit vielen Jahren an den Zusammenhängen zwischen Klimawandel und Psychologie / Psychotherapie. […] Als Berufsgruppe sehen wir uns in der Verpflichtung, unser Expertenwissen einzubringen."

Mit diesen Worten beginnt die Stellungnahme von Psychologists for Future und Psychotherapists for Future (kurz Psy4F), die mittlerweile gut 4300 Menschen durch ihre Unterschrift bekräftigt haben. Verfasst hat die Stellungnahme gemeinsam mit einigen Kolleg*innen die Psychologische Psychotherapeutin Mareike Schulze, Mitglied der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz. Die 35-jährige ist seit 2014 approbiert, mit eigener Praxis niedergelassen in Rheinland-Pfalz und sie ist eine der beiden Gründerinnen der deutschen Psychologists / Psychotherapists for Future-Gruppe. Deren Mitglieder haben sich zum Ziel gesetzt, ihre berufliche Expertise in den Kampf gegen den Klimawandel einzubringen.

Je mehr sich Mareike Schulze mit dem Klimawandel beschäftigte, desto größer wurde ihr Unverständnis und ihre Frustration darüber, dass sich ihr eigener Berufsstand trotz der bedrückenden Faktenlage eher passiv verhielt und das Thema nicht aufgriff. Nachdem Frau Schulze das Thema in einer Facebook-Gruppe aufbrachte, reifte der Entschluss, gemeinsam mit einigen Kolleg*innen Psy4F zu gründen. Sie bauten die Homepage https://psychologistsforfuture.org/ auf, schrieben Kammern und Verbände an und verfassten die oben zitierte Stellungnahme, die im Mai 2019 online ging und seit dem dort unterzeichnet werden kann. Die Stellungnahme geht auf die psychischen Aspekte der Klimakrise ein und fordert einen klimapolitischen und gesellschaftlichen Paradigmenwechsel. „Es handelt sich um eine existenzielle Krise, auch unsere psychische Unversehrtheit ist in Gefahr", sagt Mareike Schulze. Auf dem 35. Deutschen Psychotherapeutentag (DPT), der im November 2019 in Berlin stattfand, berichtete sie in ihrer Rede, dass eine von der amerikanischen Psychologenvereinigung APA eingesetzte Arbeitsgruppe bereits vor zehn Jahren auf die vielfältigen psychischen Folgen der Klimaveränderungen hingewiesen habe. Der Erhalt der Lebensgrundlagen und der psychischen Gesundheit sei nach § 1 Absatz 2 der Musterberufsordnung eine zentrale Aufgabe der Psychotherapeut*innen. Der DPT verabschiedete schließlich mit großer Mehrheit eine Resolution zu Klimaschutz und nachhaltigem Handeln, ebenso die Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, die die Resolution beim DPT mit eingebracht hatte. (Die Resolution der LPK RLP finden Sie hier.)

Es gibt zwei Ebenen, auf denen das Fachwissen der Psychotherapeut*innen hilfreich sein kann, erläutert Frau Schulze. Zum einen die Frage, warum die Menschen nicht alles dafür tun, die Krise abzuwenden. Zum anderen die Frage, welche psychischen Folgen die Klimakrise haben kann. Intuitiv würde die Klimakrise unterschätzt und verdrängt. Die Dimension des Klimawandels zu erfassen sei schwierig, das Problem scheine sehr weit weg und löse potentiell heftige Gefühle wie Angst, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Schuld aus, so dass die Verdrängung oft ein Selbstschutzmechanismus sei. Diese Gefühle seien in Anbetracht der wissenschaftlichen Faktenlage aber angemessen und nicht pathologisch. Das Bewusstwerden der Brisanz der Klimakrise könne schwierige emotionale Zustände und psychische Belastungen hervorrufen. Ziele von Psy4F seien daher, der Vermeidung und Verdrängung der Klimakrise entgegenzuwirken, Menschen zu Verhaltensänderungen zu ermutigen, bei der emotionalen Verarbeitung der Klimakrise zu helfen, Klima-Engagierte zu unterstützen und Resilienz, also die „psychische Widerstandskraft", zu fördern. Zu diesem Zweck biete die Bewegung auch ehrenamtlich Coaching und Beratung für Klima-Engagierte an, informiere mit Hilfe von Workshops und Vorträgen und stelle auf ihrer Internetseite Forschungsergebnisse und klimapsychologisch relevante Links und Materialien zusammen.

Kammermitglied Mareike Schulze appelliert an ihre Kolleg*innen, sich mit dem Klimawandel und seinen (psychischen) Folgen sowie Coping-Möglichkeiten zu beschäftigen, um Patientenfragen sensibel und informiert begegnen zu können. Wichtig für Psychotherapeut*innen sei, zu verstehen, was hinter der Vermeidung und Verleugnung steckt, einen direkten Bezug und emotionale Verbindung zur Klimakrise herzustellen und Vorteile von Verhaltensänderungen aufzeigen zu können.

Frau Schulze berichtet, dass sich die von ihr gegründete Psy4F-Gruppe stetig weiterentwickle: Sie habe mittlerweile rund 400 ehrenamtliche Unterstützer*innen, zahlreiche Regional- und Arbeitsgruppen, kooperiere mit Kommunikationspsycholog*innen und Umweltpsycholog*innen und sei gut vernetzt mit „Health for Future" und „Scientists for Future". Ableger von Psychologists/Psychotherapists for Future gibt es auch in Österreich, der Schweiz und Irland, ähnliche Gruppen außerdem in Schweden, Finnland, Neuseeland und England. Sich vernetzen und sich Gruppen anzuschließen, sei auch für Individuen sehr wichtig, um dem in Klimafragen weit verbreiteten Gefühl der Hilflosigkeit entgegenzuwirken, erläutert Mareike Schulze. Denn der Kampf gegen den Klimawandel habe erst begonnen, es gebe noch viel zu tun.

Die LPK RLP dankt Mareike Schulze herzlich für das interessante Gespräch, auf dessen Grundlage dieser Text entstand.
 

 

Mareike Schulze beim 35. DPT (Foto: BPtK)

04.02.2020
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