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Parteiübergreifendes Ziel: Bessere psychotherapeutische Versorgung

Das Bewusstsein für den Wert psychischer Gesundheit und die Bereitschaft, bestehende Probleme in der ambulanten und stationären psychotherapeutischen Versorgung anzugehen, ist parteiübergreifend groß. Das wurde im Rahmen der Veranstaltung „LPK trifft Gesundheitspolitik 2025“ deutlich, die diesmal den Titel „Landespolitik Rheinland-Pfalz: Was planen die Fraktionen für die Zukunft der psychotherapeutischen Versorgung?“ trug. Die Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz hatte Vertreter*innen der demokratischen Parteien des Landtages eingeladen, Ihre Positionen zu verschiedenen Themen der psychotherapeutischen Versorgung im Land zu erläutern und gemeinsam mit anderen Akteur*innen aus Politik und Gesundheitswesen zu diskutieren. 

Zahlreiche Gäste aus Politik und Gesundheitswesen

Zu ihrer Freude konnte die Kammer den Gesundheitsminister von Rheinland-Pfalz, Clemens Hoch, willkommen heißen, der ein Grußwort sprach und an der Gesprächsrunde teilnahm. Weitere Gesprächspartner*innen der Diskussionsrunde waren Lisa-Marie Jeckel (Parlamentarische Geschäftsführerin der Gruppe Freie Wähler im Landtag RLP, Fachpolitische Sprecherin Gesundheit), Dr. Oliver Kusch (Gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag RLP), Michael Wäschenbach (Mitglied des erweiterten Fraktionsvorstandes der CDU-Landtagsfraktion, Mitglied des Ausschusses für Gesundheit im Landtag RLP), Steven Wink (Vorsitzender der FDP-Fraktion und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit im Landtag RLP, Sprecher für Gesundheit) und Josef Winkler (Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit im Landtag RLP, Sprecher für Gesundheit und Pflege der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen). Moderiert wurde die Runde von Sabine Maur (Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz und Vizepräsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer) und Dr. Andrea Benecke (Vizepräsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz und Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer).
Als Gäste begrüßen konnte Sabine Maur außerdem Vertreter*innen der gesetzlichen Krankenkassen, Heilberufekammern und der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Kliniken, zudem Chefärzt*innen des Landes, die Direktorin des Landkreistages, Vertreter*innen der Ministerien und der Landesämter, der Hochschulen des Landes, der psychosozialen Einrichtungen von Rheinland-Pfalz und ganz besonders herzlich die Kammermitglieder. Insgesamt waren rund 100 interessierte Zuhörer*innen im Restaurant "Esszimmer" im Landtag erschienen.

Verstärkter Einsatz vor allem für zwei soziale Gruppen nötig

In ihrer Eröffnungsrede betonte die Kammerpräsidentin, dass es ein Mythos sei, dass der steigende Bedarf an Psychotherapieplätzen damit zusammenhinge, dass heutzutage jedes Problem ungerechtfertigt psychologisiert werde. Die psychische Gesundheit der erwachsenen Bevölkerung ist heute nicht schlechter als früher – allerdings profitieren Menschen mit psychischen Problemen heute davon, dass diese weniger stigmatisiert sind und nicht mehr versteckt werden müssen sowie von den verschiedenen Formen der Hilfe, die niedrigschwellig verfügbar sind. Trotz dieser sozialen Errungenschaften gibt es zwei Gruppen, für die dringend größere gemeinsame Bemühungen nötig sind, so Frau Maur: Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, denen das fragmentierte, sektorierte Gesundheits- und Sozialsystem den Zugang zur Versorgung erschwert, sowie Kinder und Jugendliche. Deren psychische Belastung ist seit 2019 deutlich angestiegen und verharrt seitdem – verschärft durch die Pandemie – auf hohem Niveau. Frau Maur forderte daher eine bessere psychotherapeutische Versorgung, eine eigene Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche, sowie größere gesamtgesellschaftliche Anstrengungen, die ein psychisch gesundes Aufwachsen und einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft ermöglichen. Dafür sind bessere Prävention, ernsthafte Bekämpfung sozialer und ökologischer Krisen sowie die sinnvolle Regulierung digitaler Plattformen und sozialer Medien unabdingbar.

Gesundheitsminister dankt der Kammer

Clemens Hoch, der sich in der Vergangenheit dankenswerterweise immer wieder in besonderem Maße für den Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung stark gemacht hat, schloss sich in seinem Grußwort seiner Vorrednerin an. Er dankte der Landespsychotherapeutenkammer für die gute Partnerschaft und Zusammenarbeit, nicht zuletzt im Nachgang der Flutkatastrophe und im Bemühen um Sonderbedarfszulassungen im Ahrtal. Die Zusammenarbeit mit der Kammer sei für ihn immer eine Freude, der Austausch manchmal kritisch, doch konstruktiv. Herr Hoch äußerte sich zufrieden darüber, dass es gelungen sei, wichtige Errungenschaften in den Koalitionsvertrag aufzunehmen, doch nun sei es dringend nötig, dass diese auch umgesetzt würden und vor allem die ambulanten Behandlungskapazitäten – besonders für Kinder und Jugendliche und in ländlichen Gebieten –  weiter ausgebaut würden. 

Primärarztmodell in der Diskussion

Wie dringend der Bedarf ist, wird den Gesundheitspolitikern im Kontakt mit den Bürgern immer wieder deutlich. Das berichteten die Vertreter*innen der Parteien auf dem Podium. Häufig erreichen sie Klagen über lange Wartezeiten, hohe bürokratische Hürden und lange Anfahrtszeiten zur Behandlung. Uneinig waren sich die Diskussionsteilnehmer, ob eine Patientensteuerung über die Hausärzte der richtige Weg sei, um zur Verkürzung der Wartezeiten beizutragen. Noch steht in Frage, ob Psychotherapeut*innen vom sogenannten Primärarztsystem ausgenommen werden sollen, man also weiterhin ohne Überweisung eine Psychotherapeutische Praxis aufsuchen kann. Die Landespsychotherapeutenkammer warnt davor, die Hürden für Patient*innen weiter zu erhöhen, indem ein Hausarztbesuch vorgeschaltet werden muss. Schließlich gibt es mit der psychotherapeutischen Sprechstunde längst ein gut etabliertes Werkzeug zur Patientensteuerung. Zudem sind viele Hausärzte überlastet oder Patient*innen haben gar keinen Hausarzt, wie auch Herr Wink und Frau Jeckel zu bedenken gaben. 

Probleme in der stationären Versorgung

Nicht nur die Probleme der ambulanten, sondern auch der stationären Versorgung wurden diskutiert: In der PPP-Richtlinie werden nur 50 Minuten Psychotherapie für stationär aufgenommene Patient*innen vorgesehen – deutlich zu wenig für eine leitliniengerechte Versorgung, wie die Psychotherapeutenkammern seit Jahren beklagen. Gesundheitsminister Hoch betonte in diesem Zusammenhang, dass die Minutenwerte immerhin leicht angehoben worden seien und ermunterte dazu, sich weiterhin gemeinsam für Verbesserungen einzusetzen. Außerdem plädierte er dafür, die Sektorgrenzen aufzuweichen und vor allem den ambulanten Bereich zu stärken, so dass die stationäre Aufnahme wirklich nur ultima ratio bliebe.
Die Teilnehmer*innen der Diskussionsrunde erörterten, mit welchen Maßnahmen es gelingen könnte, Personalprobleme in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen – vor allem im ländlichen Raum – entgegenzuwirken. Herr Kusch betonte hier den Wert der dezentralen Ausbildung, Herr Wäschenbach die Bedeutung attraktiver, multiprofessioneller Teams und der Vernetzung mit ambulanten Einrichtungen. Herr Winkler nannte darüber hinaus den Ausbau der Infrastruktur und die Zuwanderung als wichtige Faktoren, um die Personalsituation in ländlichen Regionen zu verbessern.

Finanzierung der Psychotherapeutischen Weiterbildung

Auch die von der Bundesregierung zugesicherte, jedoch noch nicht umgesetzte Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung war selbstverständlich Thema der Debatte. So lange die Finanzierung nicht gesichert ist, zögern auch die Kliniken in Rheinland-Pfalz, Weiterbildungsstätten zu werden und entsprechende Stellen einzurichten – so droht in der Zukunft Fachkräftemangel. Gesundheitsminister Hoch machte leidenschaftlich deutlich, dass die Länder ihren Teil der Vereinbarung erfüllt haben und nun die Realisierung der Zusagen der Regierung erwarten: „Rheinland-Pfalz hat seine Hausaufgaben gemacht, nun ist der Bund am Zug.“ Es sei wichtig, dass die Kammern und betroffene Studierende sich vehement für die Sicherung der Finanzierung einsetzen. Auch die übrigen Teilnehmer*innen der Talkrunde drückten ihre Zustimmung aus.

Behördliche Erfassung psychisch kranker Menschen wird abgelehnt

Insgesamt ließen die auf dem Podium versammelten Politiker*innen deutliches Verständnis für die Nöte der Profession erkennen. Zudem war parteiübergreifend die Empathie gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen groß. Das wurde besonders in der Schlussrunde deutlich, die sich unter anderem der wachsenden Feindseligkeit gegenüber marginalisierten Gruppen widmete (die nachweislich negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat) sowie den politischen Überlegungen, Menschen mit psychischen Erkrankungen in einer Art Register behördlich zu erfassen. Minister Hoch warnte vor der Stigmatisierung, die mit einer solchen Liste einhergehe und betonte, die Gesundheitsminister hätten sich klar dagegen ausgesprochen. Auch Herr Winkler machte deutlich, er lehne die Idee eines Registers „zu 100 Prozent ab“, zumal eine solche Liste „keinerlei Sicherheitsgewinn“ biete. Um Misstrauen, Vorurteilen und Hass entgegenzuwirken, seien Maßnahmen zur Demokratiebildung und Resilienzstärkung nötig, betonte Herr Kusch. Herr Wäschenbach und Frau Jeckel unterstrichen, dass die Förderung der Resilienz und andere Präventionsangebote schon im frühen Kindesalter ansetzen sollten, um ein gesundes Heranwachsen zu psychisch starken Erwachsenen zu ermöglichen.

Frau Dr. Benecke und Frau Maur dankten allen Teilnehmer*innen und luden zur Fortsetzung der Gespräche bei Fingerfood und Getränken ein. Die Landespsychotherapeutenkammer ist dankbar für die politische Unterstützung im Einsatz für eine bessere Versorgung psychisch kranker Menschen in Rheinland-Pfalz und freut sich auf weitere konstruktive Zusammenarbeit – denn es gibt noch viel zu tun!


Das Program zur Veranstaltung finden Sie hier.

[Fotos: Kristina Schäfer]

03.09.2025
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