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Studie an der Uni Mainz: Wie geht man mit „Klima-Gefühlen“ um?

Die Klimakatastrophe hat, neben vielen anderen Konsequenzen, auch Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden der Menschen. Bislang sind die so genannten „Klima-Gefühle“ und die Art, wie damit umgegangen werden kann, jedoch wenig untersucht. Im Fokus der Forschung stand bisher meist die „Klima-Angst“. Doch Angst ist nicht die einzige Emotion, die angesichts der Bedrohungslage auftritt: Hinzu kommen häufig Wut, Trauer, Hoffnungslosigkeit und die so genannte „Klima-Schuld“, also Schuldgefühle angesichts des Klimawandels. Wie kann man diese Vielfalt der Klimagefühle erfassen und welche Emotionsregulationsstrategien können hier wirksam eingesetzt werden, um die psychische Belastung nicht zu groß werden zu lassen?

Mit diesen spannenden Forschungsfragen beschäftigt sich das im Januar 2024 abgeschlossene Projekt „KLER – Klimawandel und Emotionsregulation“ der Abteilung Klinische Psychologie, Psychotherapie und Experimentelle Psychopathologie an der Universität Mainz. Momentan werden die Daten für die Publikation vorbereitet. Geleitet wurde das Projekt von LPK-Mitglied Dr. Severin Hennemann (Psychologischer Psychotherapeut, VT) und Yannik Schröder (PiA, VT), der im Rahmen des Projektes seine Masterarbeit in Psychologie schrieb.

Die beiden entwickelten einen Online-Fragebogen und rekrutierten dann Teilnehmer*innen für ihre Studie, indem sie einerseits gezielt Organisationen von Klima-Aktivisti in Deutschland und Österreich anschrieben (verschiedene Gruppierungen der „Fridays for Future“-Bewegung und der „Letzten Generation“), andererseits breit auf verschiedenen Online-Plattformen um Studienteilnehmer*innen warben. So konnten Sie insgesamt 75 Aktivisti und 199 Non-Aktivisti dafür gewinnen, an der rund 30-minütigen Online-Studie teilzunehmen. Eine Teilnahme war ab 16 Jahren möglich, im Durchschnitt waren die Teilnehmer Mitte 30, wobei die Aktivisti etwas älter waren als die Non-Aktivisti. In beiden Gruppen gab es mehr Frauen als Männer und die Teilnehmer*innen waren überwiegend akademisch gebildet. Befragt wurden nur Teilnehmer*innen, die an den menschengemachten Klimawandel glauben.

Der erste Teil des Fragebogens enthielt 25 Fragen zu Klima-Emotionen, je fünf pro Emotion. Die Teilnehmer*innen wurden beispielsweise gefragt, in welchem Maße sie Aussagen zustimmen wie „Ich habe ein schlechtes Gewissen weil mein Konsumverhalten für den Klimawandel mitverantwortlich ist“ oder „Wenn ich Nachrichten oder Videos von den Folgen des Klimawandels sehe, stimmt mich das traurig.“ Neben den Fragen zu Klima-Emotionen wurde die generelle Tendenz zu Depression und Ängstlichkeit der Teilnehmer*innen erhoben sowie die Emotionsregulation und umweltförderliches Verhalten im Alltag.

Im zweiten, experimentellen Teil der Online-Studie wurde die Wirksamkeit verschiedener Emotionsregulationsstrategien untersucht. Zu diesem Zweck wurden den Teilnehmer*innen Fotos gezeigt, die mit der Klimakatastrophe in Verbindung standen. Nach jedem Bild sollten die Teilnehmer*innen bewerten, wie angenehm oder unangenehm sie das Bild fanden und ob sie sich aufgeregt oder ruhig fühlen. Anschließend wurden die Teilnehmer*innen gebeten, das Bild erneut zu betrachten und ihnen wurde randomisiert vorgegeben, welche der drei Emotionsregulationsstrategien sie anwenden sollten, die ihnen eingangs in kurzen Videos und Texten erläutert wurden. Es handelte sich um die Strategien Neubewertung, Unterdrückung und Beobachtung. Bei „Neubewertung“ geht es darum, eine alternative Interpretation für das Gesehene zu finden, die die unangenehme Emotion abmildert. Bei „expressiver Unterdrückung“ sollen die empfundenen Gefühle unterdrückt werden, bei „Beobachtung“ soll die Situation einfach beobachtet werden ohne etwas Bestimmtes mit den aufkommenden Emotionen zu tun oder sie gezielt zu beeinflussen.

Die Auswertung der Studie zeigte, dass die Klimagefühle sich zwischen den beiden untersuchten Gruppen deutlich unterschieden: Bei den befragten Aktivisti waren Angst, Wut und Trauer in Bezug auf die Klimakatastrophe signifikant stärker ausgeprägt als bei Non-Aktivisti. Bei Klimaschuld und Hoffnungslosigkeit gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Einerseits sind Aktivisti durch ihr Engagement wohl noch stärkeren emotionalen Belastungen ausgesetzt als Non-Aktivisti, andererseits könne das gemeinsame Handeln mit Gleichgesinnten auch ein protektiver Faktor sein, erläutern die Studienautoren im Gespräch mit der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz.

Die Studie habe gezeigt, dass die angewandten kognitiven Strategien messbare Auswirkungen haben. Die effektivste Strategie zur Emotionsregulation war in beiden Gruppen die Neubewertung, auch wenn sie Aktivisti offenbar schwerer fiel als Non-Aktivisti. Wichtig sei zu verstehen, dass es hierbei nicht um Verdrängung gehe, sondern auch die Neubewertung handlungsweisend sein könne. „Wenn es uns gelingt, eine neue Perspektive auf Bedrückendes einzunehmen, kann uns das aktivieren und Erlebenszustände positiv verändern“, erklärt Dr. Severin Hennemann. Dies sei bei der Strategie „Unterdrückung“ nicht der Fall, bei der Strategie „Beobachtung“ nur in geringerem Maße.

Ihre Untersuchung trägt zu einem besseren Verständnis von Klima-Emotionen bei, erklären Herr Dr. Hennemann und Herr Schröder. In weiteren Projekten müssten nun die Veränderungen von Klima-Emotionen beforscht werden, um noch besser zu verstehen, mit welchen Maßnahmen Menschen am besten geholfen werden kann, die von ihren Klima-Gefühlen stark beeinträchtigt werden. Momentan läge der Fokus zu stark auf negativen Klima-Gefühlen, ein wichtiger nächster Schritt sei ermutigende Emotionen zu stärken. In einer Welt, in der die Klimakatastrophe sich von Einzelnen nur begrenzt beeinflussen lässt, müsse man einen Weg finden, mit negativen Klima-Gefühlen resilient und selbstwirksam umzugehen, so Dr. Hennemann. „Bei dem Thema geht es nicht nur um Wokeness, nicht um Befindlichkeiten einer bestimmten Generation“, stellt Dr. Hennemann klar. Ein bedeutender Beitrag, den die Psychotherapie leisten könne, sei daher vor allem: Klima-Emotionen ernst zu nehmen.

Die LPK RLP dankt Dr. Severin Hennemann und Yannik Schröder herzlich für das interessante Gespräch, auf dessen Grundlage dieser Text entstand.

[Dr. Severin Hennemann und Yannik Schröder]

18.03.2024
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