Zum Seiteninhalt

"Klimaresilienz": Was ist das und wie fördert man sie?

Sieben von neun kritischen Belastungsgrenzen des Erdsystems wurden bereits überschritten, das zeigte der kürzlich veröffentlichte Planetary Health Check des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Wie soll man mit Nachrichten wie dieser umgehen? Wie kann man verhindern, dass die psychische Gesundheit leidet, angesichts der erdrückenden Flut von negativen Berichten über den Zustand des Klimas und unserer Umwelt? Lässt sich Resignation in Zuversicht verwandeln und wie kann man „Klimaresilienz“ fördern?

Das wurde in einem digitalen Round-Table-Gespräch am 25. September 2025 diskutiert, zu dem die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) eingeladen hatte. Thema war diesmal die „Förderung von hilfreichen Strategien zum Umgang mit der Klimakrise“. In verschiedenen Vorträgen wurden sowohl die Entwicklung praktischer Handlungsoptionen als auch die (präventive) Vermittlung von Coping-Strategien im Umgang mit Klima-Gefühlen thematisiert; außerdem wurde Klimaresilienz im Gesundheitswesen und bei Kindern und Jugendlichen diskutiert. 

Unter Klimaresilienz versteht man die Fähigkeit eines Systems oder eines Individuums, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen, diese zu bewältigen und sich von extremen Wetterereignissen zu erholen. Es ist also wichtig, die Klimaresilienz sowohl der Gesellschaft als auch des Einzelnen zu stärken. „Resilienz ist kein Ersatz für Klimaschutz!“ betonte Dr. Andrea Benecke (Präsidentin der BPtK und Vizepräsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz) in ihrem Grußwort. Zusätzlich zu effektiven Klimaschutzmaßnahmen muss aber die Fähigkeit geschult werden, mit den Veränderungen so umzugehen, dass sie die psychische Gesundheit möglichst wenig beeinträchtigen.


Dr. Andrea Benecke: „Resilienz ist kein Ersatz für Klimaschutz!“


Die häufigsten emotionalen Reaktionen auf den Klimawandel sind Angst, Scham, Schuld, Trauer, Ärger und Hilflosigkeit. Zu diesen akuten Reaktionen kann so genannter antizipierter Stress hinzukommen, der sich auf die Bedrohung der zukünftigen Gesundheit, des zukünftigen Lebensstils oder die Bedrohung des Eigentums in der Zukunft bezieht. Dieses oft diffuse Erleben von Klimastress erfordert, Bewältigungsstrategien über einen langen Zeitraum hinweg aufrechtzuerhalten und immer wieder an neue Bedingungen anzupassen. Zentral dafür ist die Eingebundenheit des Individuums in Gemeinschaften, das wurde bei allen Vorträgen der Veranstaltung deutlich. Referentin Verena Kantrowitsch (Diplom-Psychologin im öffentlichen Dienst, aktiv bei Psychologists for Future) erklärte dazu: „Wenn eine verbündete Person dabei ist, ändert sich für uns alles“. Der Blickwinkel der Psychologie sei historisch bedingt immer noch zu stark auf das Individuum fokussiert, Resilienzkonzepte müssten aber unbedingt durch den sozialen Kontext erweitert werden. Die Erfahrung und Überzeugung, gemeinsam zu handeln und etwas erreichen zu können, reduziere die Hilflosigkeit. „Kollektive Selbstwirksamkeit ist der Schlüssel zur Klimaresilienz“, so Frau Kantrowitsch.   

Psychotherapeut*innen sollten also bei der Begleitung von Patient*innen, die unter Klimastress leiden, dazu ermutigen, sich mit anderen zu verbünden. Um kollektive Resilienz im therapeutischen Kontext zu stärken, sei es auch hilfreich, möglichst viel Gruppentherapie und Gruppensupervision anzubieten und die positiven Effekte der Gemeinschaft zu erleben.


Verena Kantrowitsch: „Kollektive Selbstwirksamkeit ist der Schlüssel zur Klimaresilienz.“


Katahrina van Bronswijk (Psychologische Psychotherapeutin, aktiv bei Psychologists for Future) gab in ihrem Vortrag einen Überblick über verschiedene Coping-Strategien, also Maßnahmen, mit der Bedrohung und negativen Klimagefühlen umzugehen. Sie betonte, dass für das psychische Wohlbefinden eine adaptive, also an Veränderungen anpassbare, und sinnorientierte Coping-Strategie notwendig sei. Diese kann von psychotherapeutischer Seite unterstützt werden. Elemente der sinnorientierten Coping-Stategie sind konstruktive Hoffnung, positive Neubewertung, Emotionsakzeptanz, Vertrauen in andere und sich selbst (Selbstwirksamkeit), Zeit in der Natur und Werteorientierung. Hilfreich können in einigen Fällen auch Konzepte der Trauerarbeit sein: Trauer über die Zerstörung der Umwelt müsse zugelassen und akzeptiert werden. 

Wichtig sei bei alledem die Wahrung des Abstinenzgebotes in der Psychotherapie, betonte Frau van Bronswijk: Patient*innen sollen nicht durch die Psychotherapie für das Thema Klimakatastrophe sensibilisiert und so zusätzlich belastet werden. Nur wenn sich in der Anamnese zeigt, dass Patient*innen unter „Weltschmerz“, unter der aktuellen gesellschaftspolitischen Situation und der Klimakatastrophe leiden, soll das Thema aufgegriffen werden.

Die von Frau van Bronswijik empfohlene Strategie entsprach inhaltlich dem Bewältigungsmodell für den Umgang mit gesellschaftlichen Krisen „ACOMA“, das der Schulpsychologe Dr. Felix Peter vorstellte und das sich zur Förderung der Klimaresilienz von Kindern und Jugendlichen gut eignet. ACOMA steht für acceptance, constructive hope (Zuversicht), meaning und commited action, also den eigenen wirksamen Beitrag. Auch Herr Peter betonte den Wert der sinnfokussierten Bewältigung: Es sei wichtig, positive Aspekte zu suchen, persönliche Ziele neu zu justieren, Vertrauen zu schöpfen, positive Emotionen zu aktivieren und Akzeptanz zu fördern. In der Praxis könne das Bewältigungsmodell „ACOMA“ eine Struktur für die Arbeit mit jungen Menschen liefern, emotionale Kompetenzen und Selbstwirksamkeit fördern und kollektives Handeln unterstützen.

Sowohl in den Vorträgen als auch im lebhaften Austausch der Veranstaltungsteilnehmer*innen zeigte sich, dass der Umgang mit den Herausforderungen der Klimakatastrophe auf Zuversicht, gemeinsames Handeln und kollektive Wirksamkeit zielen muss. Psychotherapeut*innen können auf verschiedenen Wegen die Selbstwirksamkeit stärken und sollten dabei die Rahmenbedingungen mit in den Blick nehmen, so Frau Dr. Benecke. Sie plädierte dafür, dass sich Psychotherapeut*innen verfahrensübergreifend für die Bewältigung dieser großen Aufgabe zusammentun und sich in ihren unterschiedlichen Herangehensweisen sinnvoll ergänzen.

[Foto: iStock/DA4554]

09.10.2025
Zum Seitenanfang