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Lebhafter Austausch zum Thema "Angestellte Psychotherapeut*innen zwischen Lust und Frust"

Was sind die Kennzeichen angestellter Tätigkeit? Welche Entwicklungspotenziale haben angestellte Psychotherapeut*innen? Wie kann man sein berufliches Profil schärfen und in Leitungspositionen aufrücken? Lässt sich die Deutungshoheit über die eigene berufliche Rolle (zurück-)gewinnen? Diese Fragen wurden im Rahmen eines interessanten Onlineseminars diskutiert, das die Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz für ihre angestellten Mitglieder am 20. Mai 2021 angeboten hat. Die Teilnehmer*innen waren eingeladen, mit den Referent*innen zusammen Gestaltungsmöglichkeiten zu entwickeln und Zukunftsperspektiven zu entdecken.

Schon der Titel der Veranstaltung „Angestellte Psychotherapeut*innen zwischen Lust und Frust“ deutet an, dass angestellte Psychotherapeut*innen sich häufig in einer schwierigen Lage befinden: Viele sind von ihrer beruflichen Situation frustriert, besonders in Bezug auf den zugemessenen Stellenwert ihrer Arbeit, die Hierarchien in den Einrichtungen und die Honorierung. In den Einrichtungen der institutionellen Versorgung werden kaum noch Stellen für Psychotherapeut*innen ausgeschrieben, weil man sich keinen „Mehrwert“ von ihrer Arbeit verspricht. Dass dieser Zustand nicht einfach so hingenommen werden muss, wurde im Laufe der Veranstaltung immer deutlicher.
Und doch wird auf der anderen Seite der Stellenwert von Psychotherapie in Psychosomatik und Psychiatrie immer größer und damit auch der unserer Berufsgruppe, die den weitaus größten Teil an psychotherapeutischer Arbeit erbringt.

Zunächst begrüßte Frau Dr. Andrea Benecke, Vizepräsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz und der Bundespsychotherapeutenkammer, angestellt an der Universität Mainz, die Teilnehmer, umriss die Situation der angestellten Psychotherapeut*innen und ging in diesem Zusammenhang auch auf die neue Musterweiterbildungsordnung ein, die gerade im stationären und institutionellen Kontext große Chancen mit sich bringt.

Frau Yvonne Hoffmeister, Leitende Psychotherapeutin der Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Marienhaus Klinikums Eifel St. Elisabeth Gerolstein, erläuterte zu Beginn ihres Impulsvortrages „Psychotherapie im Krankenhaus“ die Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL), die bisher die unbefriedigende Situation der Psychologischen Psychotherapeut*innen in den Kliniken nicht wesentlich verbessert hat. Trotz der Bedeutung der Psychotherapie für die Klinikpatienten sei die Berufsgruppe der Psychologischen Psychotherapeuten meist völlig unterrepräsentiert und verfüge über einen geringen Stellenwert innerhalb der Klinikhierarchie. Dass es auch anders geht, zeigte die Referentin am Beispiel ihrer eigenen Arbeitsstätte: Dort ist das Verhältnis von Psycholog*innen und Ärzt*innen 1:1. Die Hierarchien sind flach, der kollegiale Umgang miteinander ist gleichberechtigt. Beide Berufsgruppen geben sich gegenseitig keine Weisungen und arbeiten gleichberechtigt zusammen. Interne Fortbildungen, Fallbesprechungen etc. werden gemeinsam und gleichberechtigt gestaltet. Davon profitierten beide Seiten und empfinden diese Form der Zusammenarbeit als hilfreich und selbstverständlich, berichtete Frau Hoffmeister. Zum Funktionieren dieses Modells sei die Bereitschaft auf psychotherapeutischer Seite, Verantwortung zu übernehmen, von großer Bedeutung.

Dies betonte auch die zweite Referentin, Frau Christina Demmerle. Sie verfügt über langjährige Erfahrung als leitende Angestellte in unterschiedlichen Bereichen und ist zudem als Coach und Beraterin im Gesundheitswesen tätig. Sie stellte die (Selbst-)Definition der Rolle von Psychotherapeut*innen in den Mittelpunkt ihres Vortrags mit dem Titel „Die Rolle von Psychotherapeut*innen: Wer wollen wir sein nach der Ausbildungsreform?“ Approbierte psychologische Psychotherapeut*innen seien in Kliniken formal gesehen immer noch häufig im Rahmen der ärztlich verantworteten Behandlungsplanung tätig und arbeiteten ähnlich wie Ergotherapeut*innen in der Funktion eines Heilhilfsberufs. Wichtig sei es daher, den Facharztstandard von Psychotherapeut*innen herauszustellen und Konzepte zur psychotherapeutischen Behandlung im stationären Kontext zu entwickeln, die auf der Idee eines multiprofessionellen Behandlungsteams basieren. Sie betonte, dass Psychotherapeut*innen in Kliniken berechtigt sein müssen, heilkundliche Psychotherapie im Sinne des PsychThG eigenverantwortlich auszuüben. Dazu sei es wichtig, die Deutungshoheit über die eigene Rolle (zurück-)gewinnen und in Status und Selbstverständnis zu investieren. (Nachwuchs-)Leitungskräfte müssten identifiziert und in Führungskompetenzen und Mikropolitik gefördert werden. Dazu gehörten neben Fortbildung auch kollegiale Beratung, Mentorenprogramme und Coaching. Frau Demmerle forderte, die Ausbildung anzureichern, um spezifische Themen zur Positionierung der Psychotherapeut*innen in Organisationen und Rollenvorbilder zu präsentieren. Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Profession müssten gestärkt werden. Die neue Weiterbildungsordnung sei der beste Anlass, Geschichte neu zu schreiben und die Rolle von Psychotherapeut*innen selbst zu definieren.

Auf die Impulsvorträge folgte eine angeregte Diskussion, die von Ulrich Bestle, Vorstandsmitglied der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz und stellvertretender Leiter der Ausbildungsambulanz der Poliklinischen Institutsambulanz für Psychotherapie an der Universität Mainz, moderiert wurde.

 

Präsentationen der Referentinnen:

Foto: i-Stock/upixa

26.05.2021
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