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Weiterbildung verabschiedet – Ein historischer Moment für die Profession

Der 38. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) hat am 24. April 2021 mit großer Mehrheit (110 von 140 Stimmen) die Muster-Weiterbildungsordnung für Psychotherapeut*innen verabschiedet. Ein historischer Moment, denn mit der neuen Musterordnung schafft die Profession die Voraussetzung dafür, dass Fachpsychotherapeut*innen für alle Facetten des Berufs qualifiziert werden.
Absolvent*innen des neuen Studiengangs können sich nach Studium und Approbation in einer mindestens fünfjährigen Weiterbildung zu Fachpsychotherapeut*innen qualifizieren. Dabei können sie sich für die Versorgung in den Gebieten Kinder und Jugendliche, Erwachsene oder Neuropsychologische Psychotherapie spezialisieren. Diese Weiterbildung ist künftig die Voraussetzung, um Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung zu behandeln. Dabei sind mindestens zwei Jahre Weiterbildung in einem Krankenhaus und mindestens zwei Jahre in einer Ambulanz oder Praxis zu absolvieren.Die Muster-Weiterbildungsordnung für Psychotherapeut*innen stellt eine Empfehlung an die Landespsychotherapeutenkammern dar, die Regelungen in ihr autonomes Satzungsrecht zu übernehmen. Weitere Informationen und die neue Musterweiterbildungsordnung zum Download finden Sie HIER.

Neben diesem Grundsatzbeschluss waren Schwerpunkte des DPT: die Forderungen der Psychotherapeutenschaft für die nächste Legislatur der Bundesregierung und die Diskussion einer Nachhaltigkeitsstrategie der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Einen besonderen Stellenwert nahm die Debatte um die psychischen Konsequenzen der Corona-Pandemie ein. Der DPT forderte einstimmig, ausreichende Unterstützung und Behandlungskapazitäten zu schaffen und spezifisch auf die Belange von Kindern und Jugendlichen, Älteren und Pflegebedürftigen sowie Menschen in schwierigen sozioökonomischen Lebenslagen einzugehen.

Dr. Andrea Benecke, Vizepräsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz und der Bundespsychotherapeutenkammer, stellte in einem Vortrag das Weiterbildungsgebiet Neuropsychologische Psychotherapie vor. Sie konstatierte, dass derzeit eine flächendeckende Unterversorgung in der Psychotherapie von Menschen mit Hirnverletzungen und -erkrankungen bestehe. Diese Unterversorgung werde aufgrund des demografischen Wandels weiter wachsen. Mit dem Gebiet Neuropsychologische Psychotherapie habe man den Schlüssel zu einer besseren Versorgung in der Hand. Die Gebietsdefinition lege fest, dass es sich um einen eigenen Versorgungsbereich handele, der die Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation von kognitiven, behavioralen und emotional affektiven Störungen bei verletzungs- und krankheitsbedingten Hirnfunktionen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter umfasse. Zentral sei es, zwischen der Indikation für eine Behandlung im Gebiet Neuropsychologische Psychotherapie und der Behandlung in einem der beiden anderen Gebiete trennscharf zu unterscheiden. Zielführend sei hier die Unterscheidung zwischen „korrespondierenden Störungen“ und komorbiden Störungen. Korrespondierende Störungen seien Störungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der erlittenen Hirnschädigung stehen, während komorbide Störungen solche seien, die unabhängig von der Hirnschädigung bestehen. Das Gebiet Neuropsychologische Psychotherapie sei altersübergreifend konzipiert. Deshalb werde ein großes Augenmerk auf einen differenzierten Kompetenzerwerb über die gesamte Lebensspanne der Patient*innen hinweg gelegt. Der DPT diskutierte, inwieweit ein altersübergreifendes Gebiet zu rechtfertigen sei und ob die Unterscheidung zwischen korrespondierenden und komorbiden Störungen ausreichend trennscharf sei. Der DPT stimmte der Etablierung des Gebiets Neuropsychologische Psychotherapie zu.

In einem weiteren Vortrag erläuterte Frau Dr. Benecke Eckpunkte einer BPtK-Nachhaltigkeitsstrategie zu Klima- und Umweltschutz. „Wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand, die damit erkauft sind, dass die Kosten der Zerstörung unserer Umwelt ignoriert werden, sind keine Zukunftsperspektive mehr“, stellte die Vizepräsidentin fest. Neben der Systemfrage, wie man Wirtschaftsweise und Ökologie in Einklang bringen könne, sei es wichtig zu sehen, dass auch jede Einzelne* sich fragen müsse, was er oder sie bereit zu tun sei, um die Klimakrise zu bekämpfen. Auch Psychotherapeut*innen sollten sich fragen, wo sie ihre Aufgaben sehen, angesichts der mit der Klimakrise verbundenen Gesundheitsgefahren. Psychotherapeut*innen könnten sich in die Debatte einbringen. Ihr Wissen könne hilfreich sein bei der Einschätzung der psychischen Folgen des Klimawandels oder auch bei Plänen zu einer gesundheitsfördernden Stadt- und Lebensraumplanung. Psychotherapeut*innen könnten ihre Expertise zu menschlichem Verhalten und Erleben zur Verfügung stellen für erfolgreiche Risikokommunikation. Aber vor allem gehe es darum festzuhalten, dass Psychotherapeut*innen Verantwortung für die psychotherapeutische Versorgung tragen. Es gehe ganz konkret um den Umgang mit Ängsten, Traumatisierungen nach Klimakatastrophen oder der Vermittlung von Stressbewältigungskompetenzen.Die Muster-Berufsordnung könnte um den Aspekt ergänzt werden, dass es zu den Aufgaben der Psychotherapeut*innen und der Profession gehöre, zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen beizutragen. Auch habe man in der Muster-Weiterbildungsordnung festgelegt, dass der Erwerb von vertieftem Fachwissen zum Einfluss ökologischer Faktoren auf die psychische Gesundheit gebietsübergreifend vermittelt werde. Letztlich hänge glaubhaftes Engagement von dem ab, auf das man sich selbst verpflichte.

Die ausführliche Berichterstattung der Bundespsychotherapeutenkammer zu den einzelnen Themenschwerpunkten des 38. Deutschen Psychotherapeutentages finden Sie hier.

Die Präsentationen zu den Vorträgen sowie die verabschiedeten Resolutionen finden Sie hier zum Download:

Vortrag von Dr. Andrea Benecke auf dem 38. DPT

06.05.2021
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