Wie umgehen mit Post-Covid in der psychotherapeutischen Praxis?
Auch wenn Post-Covid keine psychische Erkrankung ist, so ist das Thema doch auch für Psychotherapeut*innen relevant: Wie wird die Erkrankung diagnostiziert und wie ist sie beispielsweise von einer Depression zu unterscheiden? Wie kann man Betroffenen helfen, mit den psychischen Beeinträchtigungen umzugehen, die diese Multisystem-Erkrankung häufig mit sich bringt? Das Interesse an diesen Fragen und der Wunsch, Betroffenen sinnvolle Unterstützung bieten zu können, ist groß unter den Mitgliedern der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz: Das machten die hohe Teilnehmerzahl (über 100 Personen) und die vielen Redebeiträge an der Veranstaltung „Post-Covid in der psychotherapeutischen Praxis" deutlich, die die Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz am 21. Mai 2025 anbot. Bei der von Kammerpräsidentin Sabine Maur moderierten Fortbildung handelte es sich um eine der angekündigten Satelliten-Veranstaltungen zum Fachtag „Post-Covid“, der am 26. März 2025 in Mainz stattfand und der vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit (MWG) gemeinsam mit der Landeszentrale für Gesundheit und anderen Kooperationspartner*innen des Runden Tisches Post-Covid Rheinland-Pfalz veranstaltet wurde.
Eva Mohnke (Psychologische Psychotherapeutin und Leiterin des Aus- und Weiterbildungsinstituts KAPP) und Isabelle Ewe (Psychologische Psychotherapeutin in Ausbildung am KAPP) erläuterten typische Symptome der Erkrankung und stellten den Ablauf und die Besonderheiten der online-Gruppentherapie vor, die sie für Post-Covid-Patient*innen anbieten. Von einer Post-Covid-Erkrankung spricht man, wenn die Symptome länger als 3 Monate nach der Infektion anhalten. Im schlimmsten Fall entwickelt sich daraus ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronische Fatigue-Syndrom), die schwerste Langzeit-Folgeerscheinung einer Covid- oder anderen Infektion. Da die Patient*innen belastungsintolerant und reizempflindlich sind, unter extremer und anhaltender Erschöpfung sowie unter „brain fog“, Gelenkschmerzen und zahlreichen weiteren Symptomen leiden, muss die Therapie entsprechend angepasst werden. Frau Mohnke und Frau Ewe richten sich dabei nach dem Manual „Langensteinbacher Post-COVID-Gruppentherapie“. Die Gruppentherapie findet ausschließlich online statt, so dass auch bettlägrigen Patient*innen die Teilnahme erleichtert wird, außerdem wird die Dauer der Sitzungen halbiert, so dass zwei halbe Termine à 50 Minuten entstehen. Aufgrund der kognitiven Beeinträchtigungen durch die Erkrankung sei die Wiederholung des Erlernten zentral, außerdem die Begrenzung der Teilnehmerzahl auf maximal acht Personen, die Schaffung einer reizarmen Umgebung und die Kürzung von Übungen und Gruppenarbeiten, berichtete Frau Ewe. In der Gruppentherapie sollen die Patient*innen lernen, mit ihren Ängsten und ihrer Erkrankung umzugehen, ihre Energie-Ressourcen einzuschätzen und sorgsam damit hauszuhalten („Pacing“).
Amelie Thobaben (Psychologische Psychotherapeutin und Präsidentin der PK Bremen) referierte über die psychotherapeutische Diagnostik und sozialmedizinische Aspekte. Sie erläuterte die Differentialdiagnostik zur depressive Störung und die Abgrenzung zur Somatisierungsstörung, zu der Post-Covid ebenfalls Ähnlichkeiten in der Symptomatik aufweist. Außerdem ging sie auf die verschiedenen in Frage kommenden F-Diagnosen für Psychotherapie bei ME/CFS ein und auf die Schwierigkeiten, mit denen Betroffene bei der Akzeptanz der Diagnose durch Krankenkassen, Arbeitsagentur, Renten- und Pflegeversicherung teilweise zu kämpfen haben.
Viele der Symptome einer Post-Covid-Erkrankung betreffen das Fachgebiet der Neuropsychologie, beispielsweise Fatigue, Kopfschmerzen, Aufmerksamkeitsstörungen, Störungen von Geruchs- und Geschmackssinn etc. Ralf Erkens, Psychologischer Psychotherapeut und klinischer Neuropsychologe, erläuterte wichtige Aspekte der neuropsychologischen Diagnostik und Behandlung bei Post-Covid. Er stellte verschiedene Screening-Verfahren vor und zeigte beispielhafte Befunde von Post-Covid-Patient*innen aus seiner Berufspraxis. Bei Verdacht auf eine neurokognitive Störung nach einer Covid-Erkrankung kann in der Psychotherapie-Praxis ein einfaches kognitives Screeningverfahren, wie das MoCA (Montreal Cognitive Assessment) durchgeführt werden. Wenn sich der Verdacht durch das Ergebnis erhärtet, empfiehlt Herr Erkens eine gründliche neuropsychologische Abklärung. Für viele Patient*innen bringt es eine deutliche Entlastung, eine gesicherte Diagnose für ihre Beschwerden zu erhalten und die Behandlung kann dann entsprechend angepasst werden.
Insgesamt wurde auch bei dieser Veranstaltung und in dem regen Austausch im Anschluss an die Vorträge deutlich, dass bei der Behandlung von Post-Covid-Patient*innen eine gute Zusammenarbeit aller behandelnden Akteur*innen besonders wichtig ist, da die Erkrankung diagnostisch schwer zu greifen und bisher kaum wirksam zu behandeln ist. Es ist daher umso bedeutsamer, dass das bereits gewonnene Erfahrungswissen geteilt und in die Fläche gebracht wird, um die Versorgung der Betroffenen zu verbessern. Die Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz ist daher allen Mitgliedern sehr dankbar, die Fortbildungsangebote zum Thema „Post-Covid“ nutzen und motiviert sind, ihre berufliche Expertise in die Versorgung dieser Patient*innengruppe einzubringen.